Metz – Garnisonskirche Metz/Temple de Garnison

Vom Bau zur Zerstörung: Die Geschichte der Garnisonskirche in Metz

Einleitung

Die Garnisonskirche in Metz, bekannt als „Temple de Garnison“, befindet sich auf der großen Moselinsel in Metz am Square du Luxembourg (früher Place du Saulcy, vormals Weidenplatz). Obwohl das neogotische Kirchenschiff nach einem Brand im Jahr 1946 gesprengt wurde, blieb der Turm erhalten. Seit 1972 steht dieser unter Denkmalschutz. Die Kirche bildete einst ein architektonisches Ensemble im neogotischen Stil zusammen mit dem Mathildenstift, das zwischen 1886 und 1889 erbaut wurde und heute als Hôpital Belle Isle bekannt ist.

 

Blick auf den Turm der Garnisonkirche Metz

Geschichte der Garnisonskirche

Nach der Annexion: Die Notwendigkeit eines neuen Sakralbaus

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg und der Annexion von Metz durch das Deutsche Reich entwickelte sich die Stadt zu einem bedeutenden Standort für das Militär. Die Garnison umfasste über 7000 Soldaten. Noch bevor die ersten deutschen Kasernen entstanden, ließ die Militärbaudirektion zwischen 1875 und 1881 eine protestantische Garnisonskirche auf dem westlichen Glacisfeld von Metz errichten. Mit 2400 Sitzplätzen war sie eine der größten Kirchen ihrer Zeit, davon waren 400 Plätze für Zivilisten reserviert. Der Bau war notwendig, da das protestantische Militär keinen Zugang zur katholischen Kathedrale von Metz hatte und die meisten anderen Kirchen der Stadt ebenfalls katholisch waren. Die kleine evangelische Kirche im Trinitarieroratorium bot nur etwas mehr als 300 Plätze. Bis zur Fertigstellung der Garnisonskirche fanden die Militärgottesdienste provisorisch in einer umfunktionierten Reithalle statt.

 

Blick auf den gesamten Turm

Entwurf und Bau

Die Entwürfe für die neue Garnisonskirche stammten von Architekt Buschmann, der im Auftrag der Berliner Militärbaudirektion arbeitete. Vor Ort leitete Garnisons-Bauinspektor Rettig die Bauarbeiten. Die drei großen Glocken des Turms wurden aus erbeuteten französischen Kanonen des Deutsch-Französischen Krieges gegossen. Am 4. Juli 1881 fand die feierliche Einweihung der Kirche statt.

Nutzung und Verfall

Nach dem Abzug der deutschen Truppen im Jahr 1918 und der Rückkehr von Metz zu Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Garnisonskirche kaum noch genutzt. Zwischen den beiden Weltkriegen fanden nur wenige Gottesdienste statt, und während des Zweiten Weltkriegs erlitt das Gebäude leichte Schäden.

 

Das Ende des Kirchenschiffs

Am 19. Juni 1946 diskutierte der Stadtrat von Metz über die zukünftige Nutzung des Gebäudes. Geplant war eine Umwandlung in ein Haus der sozialen Arbeit oder in eine kommunale Bibliothek. Diese Pläne stießen jedoch auf Kritik, da viele Metzer das Bauwerk als Relikt der deutschen Annexion sahen und meinten, der Turm würde die niedrigeren Türme der katholischen Kathedrale verspotten. Am Tag der Abstimmung im Stadtrat, dem 28. Juni 1946, brach ein Feuer in der Kirche aus, das den hölzernen Dachstuhl zerstörte. Obwohl die steinernen Teile der Kirche und die Gewölbe erhalten blieben, beschloss der Stadtrat knapp den vollständigen Abriss des Kirchenschiffs und des Chors, der 1952 durchgeführt wurde.

Erhalt des Turms

Trotz des Abrisses des Kirchenschiffs blieb der 97 Meter hohe Glockenturm wegen seiner beeindruckenden Proportionen und seiner bedeutenden Rolle im Stadtbild erhalten. Der Platz des früheren Kirchenschiffs wurde später durch Anbauten des Hôpital Belle Isle (ehemals Mathildenstift) überbaut. 1988 fanden Restauratoren in der Kreuzblume des Turms zwei Pergamenturkunden aus dem Jahr 1875, die in verlöteten Kupferdosen aufbewahrt waren. Heute steht der Turm Freikletterern an bestimmten Tagen zur Verfügung.

 

Die Architektur der Garnisonkirche in Metz

Stil und Bauweise

Die Garnisonskirche in Metz wurde in neogotischem Stil nach Vorbildern der Früh- und Hochgotik erbaut. Der Bau folgte den Vorschriften des Eisenacher Regulativs, einer 1861 herausgegebenen Empfehlung zur Gestaltung protestantischer Kirchenbauten, die bis 1890 Bestand hatte.

Der Bau der Garnisonskirche als dreischiffige Hallenkirche mit dreijochigem Langhaus, breitem Querhaus und geräumigem, polygonal schließendem Chor wird durch einen steilaufragenden Turm an der Vorderfront dominiert, der auf Fernwirkung im Moseltal ausgelegt ist. Dieser Turm, dessen Kubatur an den des Freiburger Münsters erinnert, wird durch die schlichte, schmucklose Ausführung an die hannoveranische Neogotik, insbesondere die Christuskirche von Conrad Wilhelm Hase, angelehnt. Als Baumaterial diente der ortsübliche lothringische Jaumontstein.

 

Blick auf den unteren bau

Orientierung und städtebauliche Bedeutung

Anders als bei gotischen Vorbildern üblich, ist die Garnisonskirche nicht geostet, sondern wie der Metzer Dom um mehr als 50° nach Norden gedreht, sodass die Hauptachse in nordnordöstlicher Richtung liegt. Während im Mittelalter beim Bau des Domes aufgrund der Lage am Stadtrand und am Moselufer diese Ausrichtung notwendig war, hätte man bei der Garnisonskirche problemlos eine Ostung realisieren können. Die bewusste Parallelstellung zur Kathedrale sollte jedoch die symbolische Bezugnahme verdeutlichen.

Architektonische Details

Im Erdgeschoss des Turmes befindet sich hinter einem wimperggeschmückten Trichterportal eine Vorhalle, darüber ein zierliches Radfenster. Auf der Höhe der Dachfirste erfolgt, verdeckt durch mächtige Fialen, die Überleitung ins Turmachteck. Wimperge und Fialen zieren die Ecken und die hohen zweibahnigen Schallläden. Der spitze steinerne Turmhelm mit einem Wimpergkranz läuft über profilierte Grate in eine ausladende Kreuzblume aus.

Lichtführung und Innenraumgestaltung

Die Gestaltung der hohen Hallenkirche verfolgte das Ziel, den traditionellen neogotischen Kirchenbau mit den Anforderungen der modernen Sakralarchitektur nach Lichtfülle und Übersichtlichkeit zu verbinden. Den Soldaten als Gottesdienstteilnehmern sollte durch die Vereinheitlichung des Raumes eine aktivere Teilnahme am Gottesdienst ermöglicht werden. Die Kirche wies eine Länge von etwa 60 Metern und eine Breite von 27,50 Metern auf.

 

Die Fenster des Langhauses nahmen die gesamte Jochbreite ein und belichteten den Predigtraum der Kirche in großem Maße. Die Querschiffe der Garnisonskirche nahmen Bezug auf das Querhaus des Metzer Domes mit seinen großdimensionierten Fenstern. Die Querhausgiebel der Garnisonskirche waren mit Lanzett-Drillingsfenstern geschmückt. Die beim Abriss des Schiffes zerstörte innere Ausstattung war der neogotischen Gestaltung der Architektur angepasst.

 

Symbolik und historische Einordnung

Blick auf den Turmbau

Der Turm der Garnisonskirche, mit einer Höhe von 97 Metern genau einen Meter höher als der Mütte-Turm der Kathedrale von Metz, stellte ein preußisch-protestantisches Hoheitszeichen dar. Diese bewusste Höhendifferenz unterstrich die Dominanz des Turms im Stadtbild und symbolisierte die preußische Herrschaft. Die Orientierung der Sichtachse auf den Turm von der Südseite der Place d’armes entlang der Rue d’Estrées setzte die Garnisonskirche als ein Symbol des protestantischen Deutschtums in eine direkte Beziehung zur katholischen Kathedrale.

 

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Quellenangaben

  • Niels Wilcken: Architektur im Grenzraum. Das öffentliche Bauwesen in Elsaß-Lothringen (1871–1918) (= Veröffentlichungen des Instituts für Landeskunde im Saarland, Bd. 38). Institut für Landeskunde im Saarland, Saarbrücken 2000, S. 260–261.

Einzelnachweise

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  1.  Jean-Claude Berrar: Metz au début du XXe siècle, Band II, Metz 2008, S. 65–67.
  2.  Jean-Claude Berrar: Memoire en Images, Metz, Saint-Avertin 1996, S. 75.
  3.  Christian Fauvel: Metz 1940-1950, De la tourmente au renouveau, Metz 2017, S. 56–57.
  4.  Niels Wilcken: Vom Drachen Graully zum Centre Pompidou-Metz, Metz, ein Kulturführer, Merzig 2011, S. 95–96.
  5.  Niels Wilcken: Architektur im Grenzraum. Das öffentliche Bauwesen in Elsaß-Lothringen (1871–1918) (= Veröffentlichungen des Instituts für Landeskunde im Saarland, Bd. 38). Institut für Landeskunde im Saarland, Saarbrücken 2000, S. 260–261.
  6.  Otto Michaelis: Aus der Geschichte der Metzer evangelischen Gemeinde, Volksschriften für das evangelische Lothringen, Heft 1, Metz 1906. S. 67.
  7.  Niels Wilcken: Architektur im Grenzraum. Das öffentliche Bauwesen in Elsaß-Lothringen (1871–1918) (= Veröffentlichungen des Instituts für Landeskunde im Saarland, Bd. 38). Institut für Landeskunde im Saarland, Saarbrücken 2000, S. 260–261.
  8.  R. S. Bour: Ein Rundgang durch die Metzer Kirchen und Kapellen, in: A. Ruppel (Hrsg.): Lothringen und seine Hauptstadt, Eine Sammlung orientierender Aufsätze, Metz 1913, S. 427.
  9.  Jean-Claude Berrar: Memoire en Images, Metz, Saint-Avertin 1996, S. 75.

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